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Unbestimmte Grenzen
Compliance für Medien

von Natascha Tschernoster

Auszug aus der Kurzstudie "Gefallen an Gefälligkeiten -
 Journalismus und Korruption"
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Einleitung

Dass Medien und der Journalismus mit der Beeinflussung durch Werbung und PR zu kämpfen haben, ist durch viele Studien bekannt und gilt als Konsens. Da sich die Situation der Verletzung des Trennungsgrundsatzes zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt jedoch nicht verbessert, durch den steigenden wirtschaftlichen Druck eher noch zunimmt, ergibt sich die Frage, was Medien versuchen können, um sich gegen diese unethische Beeinflussung zu schützen. Wie können sie den Einfluss eindämmen und kontrollieren? Andere Unternehmen greifen zur Bekämpfung der Korruption auf Compliance-Modelle zurück. Für Medien als Unternehmen könnte das gleiche gelten., jedoch schauen mediale Beobachter in erster Linie auf ihre Beobachtungsobjekte, nicht auf sich selbst, gibt Altmeppen* als Erklärung an, warum sich die Branche noch so schwer mit der Selbstbeschäftigung und Selbstkontrolle tut.

"[Medienunternehmen] müssen leisten, was die Gesellschaft an öffentlicher Kommunikation von den Medien erwartet und sie müssen sich selbst als Unternehmen mit ihrer Verantwortung positionieren.* Doch Begriffe wie Unternehmensverantwortung oder Compliance findet man selten bei Medienunternehmen und ihren Verbänden*. Einige haben sich zumindest Verhaltensregeln in Form von Kodices gegeben*, die jedoch nicht immer öffentlich zugänglich sind, und somit eine Kontrolle und Bewertung von außen schwer zulassen. Um hierzu einen Überblick zu bekommen und den Medien eine Möglichkeit zur Aufklärung zu bieten, um in Zusammenarbeit mögliche Maßnahmen zum Schutz vor unethischer Beeinflussung zu finden, sollten an dieser Stelle eigentlich die Ergebnisse einer Befragung der Chefredakteure der 30 auflagenstärksten Tageszeitungen Tageszeitungen erscheinen.*  Die oben genannte Befürchtung, dass Medien sich nicht gerne selbst beobachten, traf hier jedoch leider zu: Bis auf zwei Vertreter gab es keine positiven Rückmeldungen zu dem Thema. Dass die Notwendigkeit zur Compliance und Schutz vor unethischer Beeinflussung noch nicht in allen Köpfen angekommen ist, zeigt dieses ernüchternde Ergebnis.

Da es jedoch nötig erscheint, ein solches Compliance-Modell auch für Medien anzuwenden und zu entwickeln, soll dies an dieser Stelle nur in theoretischer Form erfolgen. Denn Berufsethik allein reicht nicht aus, sie muss auch in organisatorischen Elementen verankert werden.* So herrscht im Fach mittlerweile Konsens darüber, "dass die Verantwortung keinesfalls allein auf den Schultern der Individuen lastet, dass die einzelnen Ebenen innerhalb des Mediensystems - von der Redaktion, bzw. PR-Agentur, Werbeagentur, über das gesamte Medienunternehmen hin zu Medienmärkten und Medienpolitik bei der Entwicklung einer verantwortlichen Kommunikationsethik in die Pflicht zu nehmen ist"*.

Die in dieser Arbeit zusammengestellten Maßnahmen sollen aus diesem Grund mit verbindlichen und konkreten Verhaltens- und Handlungsregeln vor allem das Medienunternehmen in die Pflicht nehmen.
Dazu wird erst nach Gründen für die Beeinflussung von Medien gesucht. Welche Entwicklungen in der Branche begünstigen diese? Anschließend wird das Thema Compliance aus der Wirtschaft vorgestellt. In den letzten Schritten werden erst die bereits bestehenden Maßnahmen aus der Medienbranche betrachtet und nach ihrer Verbindlichkeit bewertet und gefiltert, um diese dann mit den übertragbaren   Regeln der Compliance aus der Wirtschaft zu ergänzen.

Ökonomisierung der Medien

Die Gründe, die eine Beeinflussung der Medien von außen möglich machen, werden meistens in der Ökonomisierung der Branche gefunden. Dass der Grad der Ökonomisierung in der Medienbranche zugenommen hat, darin sind sich viele Medienwissenschaftler einig.* so sprechen Jürgen Plank und Josef Schopf von einer "ökonomischen Zwangsjacke"*, in der sich die Medien befinden. Die Autoren konstatieren: "Seitdem die Medien aufgrund ökonomischer Zwänge auf große Geschäftskunden angewiesen sind, haben nicht nur die Finanzierungsmöglichkeiten, sondern auch Abhängigleiten von Werbekunden zugenommen."*

Folgen dieser Entwicklung sind in allen Medien zu beobachten. So werden redaktionelle Inhalte und Werbung vermischt mit dem "Bestreben, Werbung einerseits in werbefreundlichen (und somit konsumfreudigen) redaktionellen Umfeldern zu platzieren und andererseits Vermeidungsstrategien der Rezipientinnen und Rezipienten zu verhindern"*. Dazu kommt, dass PR-Materialien zunehmend ungefiltert in redaktionelle Inhalte fließen*.

Auch die Wahrscheinlichkeit der Gefälligkeit gegenüber Anzeigen- und Werbekunden dürfte gestiegen sein*. Fassihi unterscheidet hierbei zwei Formen des Gefälligkeitsjournalismus: Journalisten können durch Geschenke oder andere Gegenleistungen zu positiver Berichterstattung verführt werden, oder sie vermeiden eine negative Berichterstattung über inserierende Unternehmen und Institutionen, aus Angst vor einem Wegfallen der Anzeigen.

Als weitere Folge der Ökonomisierung ergibt sich außerdem, dass Medien die Produktion nur noch selten selbst betreiben, sondern sich sehr viel häufiger Inhalte beschaffen*. So werden unternehmensinterne Ressourcen und über den Markt erwerbbare Leistungen flexibel genutzt. Auch das Outsourcing von Lokalredaktionen oder die Bildung von Profitcentern sind ökonomisch induzierte Veränderung des Journalismus*. "Die Tendenz geht hin zu einem Abbau von festen und Aufstockung der freien Mitarbeiter"*, hält auch Böskens fest. Aus dieser Entwicklung hin zu einer Beschaffung externer Leistungen ergibt sich für ein Compliance-Programm die Notwendigkeit, auch Maßnahmen in Bezug auf Beschaffung und Einkauf miteinzubeziehen, da sich hier ein Einfallstor für äußere Einflüsse durch freie Mitarbeiter mit mehreren Arbeitgebern oder anderen Zulieferern wie Produktionsfirmen öffnet.

Eine weitere Schwachstelle kann auf höherer Ebene in der Organisation festgestellt werden. Ressortverantwortliche und Chefredakteure werden immer mehr in das Verlagsmanagement eingebunden und fungieren zunehmend als Vermittler zwischen Redaktion und Verlag. Sie sollen dabei sowohl die publizistische als auch die ökonomische Seite beachten*. Die organisatorische Trennung zwischen Redaktion und Verlag wird hier aufgeweicht. Der Einfluss der Verlagsebene kann über die redaktionsinternen Hierarchien auf die Redaktion indirekt wirksam werden.

Dieses Abhängigkeitsverhältnis kann dazu führen, dass die Entscheidungen der Redaktion von Weisungen oder Erwartungen der Verlagsebene beeinflusst werden.* Die redaktionelle Arbeit wäre damit nicht mehr unabhängig von den ökonomischen Rahmenbedingungen. Spencer et al. konstatieren diesbezüglich, dass journalistische Normen im Ernstfall vielmals im "Kampf" gegen die Marktnormen zurückstecken müssen.*

Diese Auswirkungen der Ökonomisierung auf die Medien führen jedoch zu einer stetigen Verminderung der Qualität der Produkte. "Qualitätsmedien riskieren dadurch, sich ihres eigenen Publikums zu berauben, das keine Verletzung der Trennungsnorm duldet. Schlussendlich ist dieser Umstand eine Gefährdung der Geschäftsgrundlage."* Es entsteht ein Imageschaden für das Medienunternehmen selbst aber auch für die ganze Branche.

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* Die hochgestellten Sternchen in dem hier wiedergegebenen Text stehen für die im Originaltext angegebenen Verfassernamen und -arbeiten.

Weitere Exemplare der Studie können kostenfrei
 unter www.otto-brenner-stiftung.de
 bestellt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

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