Als wäre nichts gewesen!“

Die gravierende Bringschuld
 öffentlich-rechtlicher Fernsehsender
 

In den Statements von Vertretern der ARD und des ZDF zur neuen „Haushaltsabgabe“ war bisher mit keinem Wort die Rede von der schwersten Unterlassungssünde der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender seit Einführung des Kommerzfernsehens in der alten Bundesrepublik. Denn seit der „legendäre“ Rundfunkstaatsvertrag* zwischen den  Ministerpräsidenten der alten Bundesländer am 1. Dezember 1987 von den Länder-Parlamenten ratifiziert wurde ("Rundfunk ist Ländersache"), gehört Fernsehwerbung zum Repertoire auch öffentlich-rechtlicher Fernsehsender.

Seitdem stehen ARD und ZDF tief in der Schuld der Bürgergesellschaft, denn durch Art. 5 Grundgesetz und eine Reihe von Verfassungsgerichtsurteilen sind diese Sender verpflichtet zur Grundversorgung der Bevölkerung mit den für sie unerlässlichen Informationen - und damit auch zur Aufklärung der Bürger über die tiefgreifenden unterschwelligen, d.h. ohne Aufklärung unerkennbaren psychologischen Strategien und Wirkungen des Werbefernsehens.**

Leider aber weigern sich die besagten Sender bis heute erfolgreich (mit wessen Hilfe?), dieser Pflicht endlich nachzukommen und den bis heute ahnungslosen Zuschauern endlich auch anschaulich zu zeigen, worin denn eigentlich das Erfolgsgeheimnis der Fernsehwerbung besteht!***

Was aber wäre, wenn ARD und ZDF – anstatt wie bisher mit den „Privaten“ auf Gedeih und Verderb zu konkurrieren – sich aus der "Umarmung" der politischen Parteien lösen würden? Also aus der Umklammerung  jener politischen Kontrolleure in den Rundfunkratsgremien, über deren Politik diese Sender täglich "objektiv" berichten sollen? Was wäre, wenn ARD und ZDF - ihrer Bestimmung gemäß - sich endlich couragiert und verantwortungsbewusst aufraffen würden zur Informations-Grundversorgung der Bevölkerung (auch und gerade inbezug auf sog. "brisante" Themen wie das hier Behandelte)? Und wenn diese Sender sich dabei ein Beispiel nehmen würden an einigen vorbildlich arbeitenden ARD-Radiosendern wie etwa Deutschlandfunk, DeutschlandradioKultur, Deutsche Welle, Kulturradio RBB und BR 2 (um nur diese wenigen hier anzuführen)?

Denn längst haben ja diese Radiosender es übernommen, uns Bürger offen und ideologie-resistent, niveauvoll und stets interessant zu informieren und zu unterhalten mit gründlichen Sendebeiträgen aus allen Gesellschafts- und Politikbereichen, etwa mit ihren täglichen eingehenden Interviews und mit ihren ebenso sorgfältigen wie spannenden Hintergrund-Dokumentationen.

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* Dieser immens umfangreiche und bis ins Letzte verklausulierte Rundfunkstaatsvertrag war ein Meisterstück juristischer Kunst: mit der erfinderischen Schaffung und "Auslegung" einer "faktischen" Rechtslage, die - "im Geiste" schrankenloser neoliberaler Wettbewerbspolitik - nunmehr ARD und ZDF die Fernsehwerbung ermöglichte, damit diese Sender mit den - nun erlaubten - "Privaten" konkurrieren konnten. Mit Einführung des Werbefernsehens aber begann in der Programmgestaltung von ARD und ZDF auch deren unvermeidlicher Abstieg auf das Niveau des Quotenfernsehens (von punktuellen hervorragenden Sendungen von ARD und ZDF abgesehen).

Das bedeutet: der Staatsvertrag wurde nicht etwa geschaffen zur besseren Information und Unterhaltung der Bürger, sondern er wurde konstruiert einzig und allein im Interesse der damals medienpolitisch aktiven Parteipolitiker und der mit ihnen eng verbundenen einflussreichen Medienverantwortlichen vor allem im Fernsehen und in Zeitungs-und Zeitschriftenverlagen.

Die "Normalbürger" - also die riesige "Zielgruppe", über welche die  neue "Medienwirklichkeit" quasi über Nacht verhängt wurde - hatten nicht die geringste Ahnung von den hektischen Medienaktivitäten, deren akribische Vorbereitung ja überwiegend "hinter verschlossenen Türen" stattgefunden hatte. Die Bürger hatten somit keinerlei Chance, diese Aktivitäten rechtzeitig zu durchschauen, geschweige denn das "medien-rechtliche" Riesenkonstrukt Rundfunkstaatsvertrag in seiner ganzen Tragweite zu begreifen. Zumal die verheißene neue "Medienherrlichkeit" dem "unbedarften Volk" natürlich in den leuchtendsten Reklamefarben geschildert wurde ...

** Vgl hierzu beim  IFM (Institut für Medien- und Kommunikationspolitik) die Auflistung der "Top 50 - Internationalen Medienkonzerne 2012".  http://www.mediadb.eu/
Wir sollten uns von der gigantischen Medien-Machtdemonstration der dort aufgezählten Medienkonzerne (unter ihnen Bertelsmann, aber auch ARD und BBC) nicht blenden, einschüchtern oder gar entmutigen lassen. Denn ihr pekuniärer Erfolg steht und fällt ja mit der "Akzeptanz" ihrer Erzeugnisse  in den unterschiedlichen Bevölkerungen.

Insofern ist das Ergebnis der jetzigen Parlamentswahl in Italien nur ein warnendes Beispiel für das, was - neben erbarmungsloser  Austerity-Politik in letzter Zeit - die 25jährige mediale "Erziehungsarbeit" eines Medienmoguls in einem großen und uralten Kulturvolk bewirken konnte.

Zugleich ist das italienische Wahlergebnis eine Lektion für uns- die europäischen Bürger -, dass politisch und ökonomisch unabhängige Fernsehsender schlechthin lebensnotwendig sind für die Demokratie und für ein organisches Zusammenwachsen der europäischen Länder und Regionen zu einer lebenswerten "Heimat Europa", das heißt: zu einer Europäischen Republik.****

*** Siehe hierzu auch die Seite „Zeitdieb Quotenfernsehen“.

**** Siehe hierzu auf der Startseite das DLF-Interview mit Robert Menasse.

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März 2013
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