aus John K. Galbraiths
Analyse der
Wer übt die Macht im Staate aus? Sind es die gewählten Volksvertreter in den Parlamenten? Sind es Parteien und Medien? Oder ist es die Bürokratie, der Apparat, sind es die Konzerne, das militärische Establishment, die Verwaltung? Der gebürtige Kanadier John Kenneth Galbraith war Professor für Nationalökonomie an den Universitäten Princeton und Harvard. Er war Wirtschaftsberater Präsident Roosevelts und unter John F. Kennedy amerikanischer Botschafter in Indien. - In seinem brillanten Buch über die "Anatomie der Macht" unterscheidet Galbraith drei Instrumente oder Methoden der Machtausübung, nämlich repressive, kompensatorische und konditionierte Macht. Repressive Macht erreicht Unterwerfung durch die Verhängung (oder Androhung) entsprechend unangenehmer Konsequenzen: "Der Galeerensklave hätte es zweifellos vorgezogen, sich seiner Mühsal auf irgendeine Weise zu entziehen. Die Erwartung, für jede Drückebergerei an den Rudern ausgepeitscht zu werden, war indes unerfreulich genug, um die geforderte - wenngleich schmerzhafte - Leistung zu garantieren. Ein weniger drastisches Beispiel: Wenn mit zu harscher Zurückweisung zu rechnen ist, wird oft genug auf die Darlegung der eigenen Meinung von vornherein verzichtet und widerspruchslos ein fremder Standpunkt eingenommen." Kompensatorische Macht erzielt dagegen Unterwerfung durch das Angebot, Wohlverhalten zu belohnen: "In modernen Volkswirtschaften findet Macht natürlich ihren bedeutendsten Ausdruck in pekuniärer Vergütung: Für geleistete Dienste, also die Unterwerfung unter die wirtschaftlichen oder persönlichen Absichten anderer, wird Geld bezahlt ..." Repressive und kompensatorische Macht haben miteinander gemein, daß das Individuum, das sich einer solchen Macht unterordnet, sich seiner Unterordnung bewußt ist. Konditionierte Macht hingegen erreicht ihr Ziel durch subtile, unmerkliche Veränderung des Bewußtseins, der Überzeugungen und des Glaubens: "Überredung und Überzeugung, Erziehung und Ausbildung sowie ein gesellschaftlich bedingtes Eingeschworensein auf das scheinbar Natürliche, Ordentliche und Richtige veranlassen den einzelnen, sich dem Willen eines anderen oder einer Gruppe unterzuordnen. Die Unterwerfung entspricht dem selbstgewählten Kurs und wird nicht als das erkannt, was sie tatsächlich ist. Mehr als repressive und kompensatorische Macht ist konditionierte Macht von zentraler Bedeutung für das Funktionieren von Wirtschaft und Politik in unserer Zeit." Was Galbraith
als "konditionierte Macht" bezeichnet, ist also eine Form der
Machtausübung, die ihren Zweck erreicht durch die
unauffällige psychologische Konditionierung der zu Unterwerfenden. Und das Geheimnis dieser Macht besteht eben
darin, daß die Beherrschten nicht erkennen,
was mit ihnen gemacht wird, dass sie vielmehr irrtümlich glauben, ihre (von
"oben" gesteuerten) Einstellungen, Meinungen und Handlungen seien ihre
ganz eigenen Gefühle und Gedanken und ihre freien, selbstbestimmten Taten.
Das
Massenmedium Fernsehen - mit seinen
unendlich variablen Möglichkeiten subtiler
psychologischer Lenkung - ist folglich in unserer Zeit das
wichtigste Instrument zur Durchsetzung konditionierter Macht.
"Anatomie der Macht ist wohl das beste
Buch zum Thema Macht."
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AUGUST 2011 FORUM
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