Der Schriftsteller Carl Amery
bezeichnete die Wachstums-Ideologie des Totalen Marktes, die sich
vermeintlich aus "rationalen", d.h. vernunftgeleiteten Marktgesetzen
herleitet, als globale "Reichsreligion" - d.h. weltumspannende
Glaubensherrschaft und Doktrin, zu der es scheinbar keine
Alternative gibt. Unter dem
Joch dieser eisernen Doktrin soll die einzige "Wahlfreiheit" der
Menschen am Ende nur noch darin bestehen, daß sie zwischen
verschiedenen Marktangeboten wählen können ("Erdbeermarmelade statt
Himbeermarmelade", X statt Y, Smartphone statt Handy, etc.)
Entsprechend sollen sie "nicht einmal
im Traum" noch darauf verfallen, das
asymmetrische System des Totalen Marktes selbst von
Grund auf in Frage zu stellen und an seiner Statt realistische -
d.h. marktgleichgewichtige und menschengerechte
Gesellschaftsmodelle gemeinsam zu entwickeln.
Kommerzielle Massenmedien - vor allem
Fernsehen und Internet mit ihren fast unbegrenzten suggestiven
Möglichkeiten - fungieren auf dem globalen Markt als optimale
"Transmissionsriemen" zwischen unersättlichem Kapitalinteresse und
Käuferpsyche.
Deshalb sind sie die idealen
Instrumente zur komfortablen Durchsetzung und Aufrechterhaltung des
herrschenden Systems: Tag und Nacht und "wie von selbst" sorgen sie ja
für die unablässige unterschwellige Konsumorientierung und
damit politische "Ruhigstellung"
- d.h. systematische
Entpolitisierung der sogenannten breiten Schichten.
Mit anderen Worten: Die "Massen"
sollen - ökonomisch/politisch - in einer Art künstlichem
Dämmerschlaf verharren, aus
dem sie nicht erwachen dürfen (damit das System nicht bankerott geht).
Sie fühlen zwar mehr und mehr den
suggestiv-lähmenden Einfluß, der Tag und Nacht über
tausende von "Kanälen" auf sie ausgeübt wird. Aber mangels Aufklärung
können sie diesen Einfluß noch nicht genau bestimmen und damit auch
nicht selbstbewusst-selbstbestimmt
abweisen. Und so reagieren sie vorerst "nur" mit
wachsender Resignation und "Politikverdrossenheit" auf die gröbsten -
offenkundigen Anmutungen und Zumutungen führender
Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik. Die relativ niedrige
Wahlbeteiligung an der letzten Europawahl war dafür nur das neueste,
sprechende Beispiel.
Und solange wir systematisch in
Unkenntnis gehalten werden über die gegen uns gerichteten
massenpsycholischen Strategien, ist notwendigerweise auch der
öffentlich geführte Diskurs über Demokratie über weite Strecken eine
Als-Ob-Diskussion ohne nennenswerten Fortschritt in der
Beförderung der Sache selbst: der res publica. |