Schauspielmusik zu Ludwig Tiecks "Ritter Blaubart"
Konzermitschnitt der Uraufführung durch die Neubrandenburger Philharmonie im September 2002. Leitung: Stefan Malzev. CD von KLASSIK CENTER 2008 zum 100. Geburtstag von Hugo Distler
Ouvertüre zum 1. Akt - Kriegsmusik - Overtüre zum 2. Akt - Ouvertüre zum 3. Akt - Ouvertüre zum 4. Akt - Tanzfinale
HUGO
DISTLERS Blaubart-Musik Einführung von Michael Töpel
"::: Durch die Vermittlung des Regisseurs Jürgen Fehling (1885-1968)
erhielt Distler bei seinem Wechsel nach Berlin im Herbst 1940 den Auftrag für
eine Musik zu Ludwig Tiecks Ritter Blaubart. Fehling kannte Distler
bereits seit dessen Lübecker Zeit. Jetzt, durch das Wiederzusammentreffen
begünstigt, schien die von beiden schon seit längerem gesuchte Chance für
eine perspektivenreiche Zusammenarbeit gegeben zu sein, zumal Fehling um
Distlers Theaterbegeisterung und um seine in Richtung Oper weisenden Pläne
wusste ...
Die Blaubart-Musik sollte am 31. Dezember 1940 bei der Premiere dieses
selten gespielten Tieck-Stückes uraufgeführt werden... Trotz der
Lehrverpflichtungen an der Hochschule ging die Arbeit an der Blaubart-Musik
voran, dennoch drückte ihn die knappe Zeit, wie aus seinem Brief vom 2.
Dezember 1940 hervorgeht: 'Ich habe noch zu komponieren Lieder, Chöre, eine
Schlachtmusik usw. Zwar wurde die Premiere wegen Erkrankung des Herrn
Blaubart [Heinrich George] verschoben auf Ende Januar, aber wäre das nicht erfolgt, wäre ich
wohl überhaupt nicht mehr fertig geworden!'
Zu diesem
Zeitpunkt hatte Distler bereits die Ouvertüren sowie das Tanzfinale
fertiggestellt. Auf den Einsatz von Chören hatte man schließlich doch
verzichtet. Die übrigen Nummern konnten noch im Dezember beendet werden.
Parallel zur Komposition wurde das Aufführungsmaterial von Notenkopisten
erstellt. Die ersten Proben hatten schon stattgefunden, als ein
unvorhersehbares Ereignis dem Ganzen ein Ende bereitete: Fehling kündigte nach
einem heftigen Streit mit dem Schillertheater fristlos seine Stelle. George
[der Intendant Heinrich George, d. Red.] hielt dies auf einem Notizblock fest:
'Jürgen Fehling ist ab 21. Dezember 1940 aus der Arbeitsgemeinschaft des
Schillertheaters auf eigenen Wunsch ausgeschieden. H.G.'
Fehlings
Lebensgefährtin, die Schauspielerin Joana Gorvin, erinnert sich: 'November
1940, George politisch kein Partner mehr ...' Der im Dezember eskalierte Streit
scheint also nicht ohne Vorgeschichte gewesen zu sein. Ist allein schon der
Silvesterabend als Datum für eine Blaubart-Premiere mehr als ungewöhnlich, so
liegt zudem die Vermutung einer politisch gewagten Inszenierung nahe, die
George nicht mitzutragen bereit war. Unterstützt wird diese Vermutung durch
einen entsprechenden Hinweis des Philosophen Ernesto Grassi: 'In unvergeßlichen
zwei Stunden, die Fehling bei der Interpretation des ersten Teils des
'Blaubart' mit meinen Studenten in Berlin verbrachte, (...) wandte er sich
mahnend an sie, um ihnen das Grauen der politischen Situation vor Augen zu
führen. Auf der Bühne wurde dann seine Inszenierung 'Richard III.' (...) zur
Realisierung dieser Mahnung.'..."
Ouvertüre zum 1. Akt
Kriegsmusik
Ouvertüre zum 2. Akt
Ouvertüre zum 3. Akt
Ouvertüre zum 4. Akt
Tanzfinale
Über die bleibende treue Beziehung Distlers zu Fehling auch im Dezember 1941 - also nach dem "Mordskrach" am Schillertheater 1940 - vgl. den hier unter "Hörbeispiele" zuletzt angeführten Punkt: "Orlando di Lasso"!