Hugo Distler: Mörike-Chorliederbuch Vol. I Carmina Mundi, Aachen - Leitung: Harald Nickoll
ebs records gmbh Bietigheim
Suschens Vogel
Ich hatt ein Vöglein, ach wie fein,
Kein schöners mag wohl nimmer sein.
Hätt auf der Brust ein Herzlein rot
Und sung und sung sich schier zu Tod.
Herzvogel mein, du Vogel schön, Nun sollst du mit mir zu Markte gehen! –
Und als ich in das Städtlein kam, Er saß auf meiner Schulter zahm;
Und als ich ging am Haus vorbei Des Knaben, dem ich brach die Treu,
Der Knab just aus dem Fenster sah, Mit seinem Finger schnalzt er da:
Wie horchet da mein Vogel auf, Zum Knaben fliegt er husch! hinauf.
Der koset ihn so lieb und hold, Ich wußt nicht, was ich machen sollt,
Und stund, im Herzen so erschreckt, Mit Händen mein Gesichte deckt’,
Und schlich davon und weinet sehr, Ich hört ihn rufen hinterher:
„Du falsche Maid, behüt dich Gott, Ich hab doch wieder mein Herzlein rot!
Hugo Distler: Mörike-Chorliederbuch Vol. II Carmina Mundi, Aachen
An Philomele
Tonleiterähnlich
steiget dein Klaggesang Vollschwellend
auf, wie wenn man Bouteillen füllt: Es steigt
und steigt im Hals der Flasche – Sieh, und
das liebliche Naß schäumt über.
O
Sängerin, dir möchte ich ein Liedchen weihn, Voll Lieb
und Sehnsucht! Aber ich stocke schon, Ach, mein
unselig Gleichnis regt mir Plötzlich
den Durst und mein Gaumen lechzet.
Verzeih!
Im Jägerschlösschen ist frisches Bier Und
Kegelabend heut: ich versprach es halb Dem
Oberamtsgerichtsverweser, Auch dem
Notar und dem Oberförster.
Hugo Distler: Mörike-Chorliederbuch Vol. II Carmina Mundi, Aachen
Lammwirts Klagelied
Da droben
auf dem Markte Spazier
ich auf und ab, Den ganzen
lieben langen Tag, Und schaue
die Straße hinab.
Es steht
ein Regenbogen Wohl über
jenem Haus, Mein
Schild ist eingezogen, Ein andrer
hängt heraus.
Mein
Schäflein wohl zu scheren, Ich sparte
keine Müh, Ich bin
heruntergekommen, Und weiß
doch selber nicht wie.
Hugo Distler: Mörike-Chorliederbuch Vol. II Carmina Mundi, Aachen
Die Soldatenbraut
Ach, wenn
nur der König wüßt, Wie wacker
mein Schätzelein ist! Für den
König, da ließ er sein Blut, Für mich
aber eben so gut.
Mein
Schatz hat kein Band und kein Stern, Kein Kreuz
wie die vornehmen Herrn, Mein
Schatz ist auch kein General, hätt er
nur seinen Abschied einmal!
Es
scheinen drei Sterne so hell Dort über
Marien-Kapell; Da knüpft
uns ein rosenrot Band, Und ein
Hauskreuz ist auch bei der Hand.
Hugo Distler: Mörike-Chorliederbuch op. 19 Berliner Vokalensemble
Lied vom Winde
Sausewind,
Brausewind! Dort und
hier! Deine
Heimat sage mir!
„Kindlein,
wir fahren Seit
vielen Jahren Durch die
weit, weite Welt. Und
möchten’s erfahren Die
Antwort erjagen, Bei den
Bergen, den Meeren, Bei des
Himmels klingenden Heeren, Die wissen
es nie. Bist du
klüger als sie, Magst du
es sagen. Fort, fort
… Halt uns
nicht auf! Kommen
andere nach, unsre Brüder, Da frag
wieder.“
Halt an!
Gemach, Eine
kleine Frist! Sag, wo
der Liebe Heimat ist, Ihr
Anfang, ihr Ende?
„Wers
nennen könnte! Schelmisches
Kind! Lieb ist
wie Wind. Rasch und
lebendig, Ruhet nie, Ewig ist
sie. Aber nicht
immer beständig. Fort,
fort! Halt uns
nicht auf! Wohlauf,
wohlauf …! Fort, fort
über Stoppel und Wälder und Wiesen! Wenn ich
dein Schätzlein seh, Will ich
es grüßen.
Kindlein, ade!“
Hugo Distler: Mörike-Chorliederbuch op. 19 Berliner Vokalensemble
Sehnsucht
In dieser
Winterfrühe Wie ist
mir doch zumut! O
Morgenrot, ich glühe Von deinem
Jugendblut.
Es glüht
der alte Felsen Und Wald
und Burg zumal, Berauschte
Nebel wälzen Sich jäh
hinab ins Tal.
Mit
tatenfroher Eile Erhebt
sich Geist und Sinn, Und flügelt
goldne Pfeile Durch alle
Ferne hin.
Auf Zinnen
möchte ich springen In alter
Fürsten Schloß, Möcht hohe
Lieder singen, Mich
schwingen auf das Roß!
Und
stolzen Siegewagen Stürzt ich
mich brausend nach! Die Harfe
wird zerschlagen, Die nur
von Liebe sprach.
Wie?
Schwärmst du so vermessen, Herz, hast
du nicht bedacht, Hast du
mit eins vergessen, Was dich
so trunken macht?
Ach wohl!
Was aus mir singet, ist nur
der Liebe Glück, Die wirren
Töne schlinget Sie sanft
in sich zurück.
Was hilft,
was hilft mein Sehnen? Geliebte,
wärst du hier! In tausend
Freudentränen Verging
die Erde mir.